Liebe Organisator_innen, Teilnehmer_innen und Aktivist_innen der queeren Tour 2017 “Brandenburg bleibt bunt”,
ausgerechnet im Jahr der Bundestagswahl und des parlamentarischen Durchbruchs bei der Rehabilitierung und Entschädigung der nach 1945 nach Paragraf 175 verurteilten schwulen Männer sowie der Öffnung der Ehe für alle kann ich nicht persönlich an der Eröffnung eurer/unserer Tour 2017 „Brandenburg bleibt bunt“ teilnehmen. Das bedauere ich sehr. Aber ich bin in Gedanken bei euch und wünsche euch erfolgreiche Tage in den geplanten 5 Städten im Nordwesten des Landes Brandenburg. Möge die Tour wieder vielen Menschen Erkenntniszugewinn geben, vielen Menschen, die euch und eure Aufklärungsarbeit brauchen, Mut machen und euch unvergessliche Erlebnisse und natürlich auch den für eine solche Tour notwendigen Spaß bereiten.
In diesem Jahr findet die Tour nicht nur vor dem Hintergrund der bereits genannten Höhepunkte aus dem Juni und den letzten Sitzungswochen des aktuellen Deutschen Bundestages statt, sondern vor allem vor dem Hintergrund der Bemühungen des Landes Brandenburg um einen queeren Landesaktionsplan, eure aktive Mitarbeit an seinem Zustandekommen, euren Bemühungen um das Willkommen queerer Flüchtlinge in Brandenburg und natürlich auch der bevorstehenden Bundestagswahl am 24. September. Aber auch vor dem Hintergrund neuer Homophobien in einigen EU-Mitgliedsländern, vor dem Hintergrund homophober Übergriffe, Verfolgung und Diskriminierung in der Türkei, in afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Ländern. Die Bandbreite dieser Höhepunkte steht exemplarisch für eure, für unsere tägliche Arbeit für den Abbau und die Überwindung von Diskriminierung, für einen Wandel des gesellschaftlichen Klimas angesichts geschlechtlicher und sexueller Vielfalt, für rechtliche und tatsächliche Gleichstellung aller Lebensweisen – für euer, für unser aller Leben in Würde, Vielfalt und Respekt.
Mit der queeren Tour 2017 “Brandenburg bleibt bunt” setzt Ihr erneut ein sehr sichtbares Zeichen für dieses Leben – für Respekt, Akzeptanz, Menschenwürde, Vielfalt und eine Gesellschaft, in der jede, jeder und jedes so leben kann, wie sie/er/es ist. Ihr macht deutlich: Ja, wir freuen uns über die Erfolge in unserem Kampf für rechtliche Gleichstellung. Aber sie sind nur Zwischenstationen auf unserem Weg für eine bunte Gesellschaft in gelebter Vielfalt für alle. Mit Informations- und Aufklärungs-Ständen, mit queeren Lesungen, Filmveranstaltungen sowie einer Podiumsdiskussion in Potsdam sowie fünf weiteren Tour-Städten, mit coming-out-Beratung und vor allem mit Eurer Persönlichkeit werdet Ihr euch einbringen dafür, dass Vorurteile und Unwissenheit überwunden, dass Berührungsängste und Hemmschwellen abgebaut werden können und vor allem: dass ganz viel Vertrauen aufgebaut werden kann. Unsere Gesellschaft braucht euch, sie braucht diese Tour – als Mutmacher, als mahnendes Gewissen, als Türöffner, als offenes Buch, in das man ohne Scheu hineinschauen kann, als Menschen zum Anfassen und Erleben, wie du und ich. Ich wünsche euch den bestmöglichen Erfolg beim Umsetzen der Ziele der Tour.
Natürlich kann ich in meinem Grußwort nicht darauf verzichten, euch auf die bevorstehende Bundestagswahl und ihre Bedeutung aufmerksam zu machen – wobei ich mir sicher bin, dass dies bei euch überhaupt nicht nötig ist. Aber auch dazu sollte die Tour beitragen: Menschen zu mobilisieren, zur Wahl zu gehen – denn das Recht auf freie, allgemeine, gleiche und geheime Wahlen für alle ist genauso hart und unter Opfern erkämpft worden, wie die Ehe für alle. Es gibt Aktivistinnen und Aktivisten, die für dieses Recht nach wie vor ihr Leben geben. Und ich weiß wovon ich rede: Ich habe selbst noch erlebt, wie Wahlen gefälscht wurden und wieviel Mut erforderlich war, um sich dagegen zu wehren. Die Demokratie und die Freiheit, in der wir leben – so unvollkommen sie sein mögen – sind große Geschenke für uns alle und eine tägliche Herausforderung, die verteidigt werden müssen und die es wert sind, verteidigt zu werden. Lasst uns Queers überall deutlich machen: diese Freiheit und diese Demokratie lassen wir uns nicht nehmen, nicht zerstören, nicht mies machen. Wir Queers stehen für diese Freiheit und diese Demokratie.Wir verteidigen sie gegen Hetzer, Stimmungsmacher, gegen Rassisten, Sexisten und Ausländerfeinde. Wir werden unseren Arsch nicht hinhalten, damit man uns hineintritt, sondern wir werden ihn bewegen, um möglichst viele Menschen – vor allem, die noch unentschlossen sind – davon zu überzeugen, mit uns gemeinsam wählen zu gehen, demokratisch zu wählen – für Respekt, für Menschenwürde, für die Vielfalt.
In diesem Sinne nochmals eine erfolgreiche Tour, wunderbare Tage im wunderschönen Nordwesten unseres Bundeslandes; danke an alle Organisator_innen und Teilnehmer_innen und allen Anwesenden alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Harald Petzold, MdB